Neunhof bei Kaftshof I

  • Herrensitz
  • Neunhofer Schlossplatz 1-3
  • Stadt Nürnberg


Neunhof bei Kraftshof wird 1246 erstmals erwähnt, als Heinricus de Nova Curia (der sich also nach dem Ort nannte, was aber noch keinen befestigten Sitz voraussetzt) mit seiner Frau Mechthild von Braunsbach eine Wiese bei Neunhof dem Vorgänger des Nürnberger Klarissenklosters stiftete. Weitere Urkunden ab 1258 lassen eine Vielfalt von Lehen- und Eigenherrschaften erkennen, wobei vor allem die Hohenlohe-Brauneck als Erben der Reichsministerialen von Gründlach eine wichtige Rolle spielten. Ab der Mitte des 14. Jahrhunderts erscheinen auch die Kreß erstmals als Besitzer einzelner Höfe und Güter.

Im Ersten Markgrafenkrieg wurde Neunhof 1449 niedergebrannt. Angeblich befand sich unter den zerstörten Anwesen auch ein Herrensitz. Diese Behauptung findet sich erstmals im Salbuch des Erkenbrecht Koler von 1594: Es seien „die Markgräfischen zu Roß und zu Fuß ... mit einer großen Büchsen für Neunhof kommen, weilen es aber nur ein Lusthaus war, daß mans nicht erhalten konnt, ist es aufgeben und ausgebrannt worden“. Diese Nachricht bezieht sich aber in Wahrheit auf den gleichnamigen Ort bei Lauf [vgl. Neunhof bei Lauf II].

Richtig dürfte vielmehr sein, was Hans Wilhelm Kreß zu Beginn des 17. Jahrhunderts notierte: Auf die 1449 abgebrannten Eigengüter der Kreß (angeblich waren es diejenigen, die von den Burggrafen 1342 an die Derrer verkauft wurden) seien „nit allein der Sitz, sondern auch die andern Gebäu, so noch vor Augen, von Hanß Kressen erbaut worden“.

Das geschah um 1479, wie eine dendrochronologische Untersuchung des Schlosses ergab. Dazu passt sehr gut, dass sich Hans Kreß 1482 verpflichtete, seine Behausung zu Neunhof (die er mit Genehmigung des Nürnberger Rates „aufgericht und gepawen“ habe) der Reichsstadt Nürnberg zu öffnen, d.h. im Kriegsfall zur Verfügung zu stellen, und sie außerdem nur an Nürnberger Bürger zu verkaufen. Von einem 1449 zerstörten Herrensitz kann also keine Rede sein.

Hans Kreß starb im Jahre 1500 kinderlos; seine Witwe Elisabeth veräußerte den Neunhofer Besitzkomplex 1503 um 800 Gulden an Georg Fütterer. Der aus dem Handwerkerstand stammenden Familie war es im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts gelungen, über den Fernhandel zu Reichtum und sozialem Prestige zu gelangen. Der Erwerb eines „standesgemäßen“ Sitzes sollte vermutlich den weiteren sozialen Aufstieg erleichtern. Tatsächlich wurde Georg Fütterer 1504 als Junger Bürgermeister in den Kleineren Rat aufgenommen, 1521 glückte der Familie die Aufnahme ins Patriziat.

Einige Details zum Herrenhaus in Neunhof werden in der Kaufurkunde sichtbar – so ein Brauhaus neben einem Schöpfbrunnen, Wirtschaftsgebäude und ein Garten. Schon 1504 wurde im Landshuter Erbfolgekrieg Georg Fütterers „Sitzlein“ zu „Newenhoff am wald“ von der Reichsstadt mit einer Handvoll Schützen belegt. Aus einem Beschwerdebrief des Markgrafen aus dem Jahr 1507 geht hervor, dass Georg Fütterer die Befestigungen nach dem Erwerb erheblich ausgebaut hatte. Als daraufhin eine Nürnberger Kommission den Sitz besichtigte, hielt sie in ihrem Bericht fest, dass derselbe zum Zeitpunkt des Erwerbs nur unzureichend durch einen „schlechten liechtzaun“ (einfache Palisaden) und durch ein „kleines gräblein“ gegen die Waldseite gesichert war. Fütterer hatte daher begonnen, „ein mauern zu bauen gerings umb das Burghauß“ und einen „zwinger“ anzulegen, nach Aussagen des Eigentümers aber „nit zu seiner sonder bevestigung, sonders dem hauß und keller zu gut ... und damit er zu Zeiten auch Fisch drein thuen mög“.

Ungeachtet der markgräflichen Proteste scheint Fütterer den Ausbau der Befestigungen wie des Herrensitzes vorangetrieben zu haben. Nach einem weiteren Beschwerdebrief des Markgrafen von 1526 soll Fütterer den Sitz „mit einem Steinernen Fuß von Quaterstücken bei 30 schue hoch und 25 über zwerch“ errichtet, „darauf zwei stockwerck stehen gebaut und aufgericht“ haben, „hat auch gute schießlöcher darein gemacht und einen gefütterten graben darum gemacht“. Diese vielleicht nur aus der Ferne geschätzten Maß­angaben lassen sich freilich mit dem bestehenden Bau nicht in Übereinstimmung bringen (Grundfläche 13,3 x 9,65 Meter, Höhe der beiden steinernen Geschosse 6,62 Meter). Freitag-Stadler führte die für Neunhof so charakteristischen beiden Zwerchgiebel auf Georg Fütterer zurück, worauf auch die (wohl nicht ursprüngliche) Jahreszahl 1508 in einem der Fachwerkgiebel hinzuweisen scheint. Allerdings datieren dendrochronologische Untersuchungen das Fachwerk zumindest in Teilen auf das Jahr 1479 (den Bau von Hans Kreß).

1535 verkaufte Fütterers Witwe den auf 900 Gulden taxierten Besitz an Thomas und Pankraz Reich. Nach dem Tod seines Bruders Pankraz (1544) wurde Thomas Reich Alleinbesitzer und musste 1552 erleben, wie sein Neunhofer Besitz im Zweiten Markgrafenkrieg trotz Zahlung einer „Brandschatzung“ in Mitleidenschaft gezogen wurde: „Das sytzle ... im Knoblauchslanndt“ wurde „zerschlagen“, Voithaus und Stadel im Vorhof verbrannt. Dennoch erzielte 1557 Thomas Reich beim Verkauf an den Nürnberger Kaufmann Hans Gutteter (Gutthäter) 1.050 Gulden.

Die Gutteter begannen angeblich schon 1558  mit Renovierungen am Schloss, die sie bis 1587 fortführten. 1578/79 stand der Innenausbau des Schlosses im Vordergrund, namentlich der beiden Obergeschosse. Im Jahr 1594 erwarb Erkenbrecht Koler den Sitz und die Grundherrschaft um  3.500 Gulden, die er neben 60 Goldgulden Leihkauf in drei Raten bis 1597 bar bezahlte.

Anlässlich des Besitzübergangs wurde 1594 eine ausführliche Beschreibung des Herrensitzes angelegt, wie sie in dieser Dichte und Detailfreudigkeit bei kaum einem anderen Sitz begegnet. Das Herrenhaus war demnach „dreigädig auf die alte Manier gebauet“, stand in einem gefütterten Wassergraben und war nur über eine Brücke zu erreichen. Davor lag der „Vorzwinger“ mit Pferdestall, Badehaus, „Abziehkämmerlein“ (?) und Keller.

Der Grundriss war zweckmäßig: In einem mittleren Flur befand sich die Treppe zu den oberen Geschossen, der Zugang zum Keller wie zu den angrenzenden Räumen, wo neben Stube, Küche und Speisekammer auch eine Holzkammer untergebracht war. Im zweiten Geschoss wiederholte sich die Einteilung, wobei die Küche allerdings – offen oder abgemauert – im mittleren Erschließungsflur lag. Das folgende dritte Geschoss war ebenfalls ausgebaut, hier lagen links und rechts des Flures Stuben und Kammern. Unterm Dach wurden später sogar zwei „Stücklein Geschütz von Messing“ aufgestellt – wohl in den beiden Zwerchhäusern. Im Hof lagen „eine lange Abseiten“ (d.h. ein Gebäude mit Pultdach) samt einem Uhrturm, das Voithaus, Stallungen und weitere Bauten, neben Wasch- und Backhaus, ziegelgedeckten Stadeln auch eine Schupfe, um „Wagen darin zu stellen und ander Rüstung“.

Erkenbrecht Koler nahm  alsbald umfangreiche Renovierungen in Angriff. Die Fachwerkgeschosse waren damals noch mit schwarzer Ölfarbe angestrichen, das Dach mit Hohlziegeln gedeckt, „welchs ein sehr schwer Tach und ganz baufällig gewest“. Koler ließ es daher 1599 mit Flachziegeln neu decken, die bereits der Vorbesitzer zu diesem Zweck angeschafft hatte. Im selben Jahr wurde das Fachwerk „mit einem rauhen wurff“ versehen; zur besseren Haftung des Verputzes waren 13.000 Hufnägel eingeschlagen worden. Die Tünche wurde dem Sandstein der unteren Geschosse angeglichen, die Fensterläden „überal rot und weis angestrichen“, was dem Haus „ein herrlichs und Schlossischs aussehen macht“. Auch das Innere ließ Koler wohnlich herrichten und vor allem an den Türen zahlreiche Sinnsprüche und Malereien anbringen.

Erkenbrecht Koler hinterließ aus seiner Ehe mit Susanna (geborene Seckler) nur eine gleichnamige Tochter, die 1615 Johann Wilhelm Kreß von Kressenstein heiratete und nach dem Tod ihres Gemahls 1629 Neunhof „zu einer ewigen Vorschickung“ bestimmte. 1632/34 zerstörten kaiserliche Truppen Teile von Neunhof, darunter das Voithaus, Stallungen und den Stadel im Vorhof des Schlosses. Dieses selbst kam offensichtlich glimpflich davon, die Schäden waren nur wenig später behoben.

Johann Adam Kreß griff 1736/37 ein letztes Mal stärker in die Bausubstanz ein. Auch die große Zahl und die Anordnung der Fenster geht weitgehend auf diese Maßnahme zurück. Unter ihm entstand die barocke Hauskapelle mit den beiden Hauptaltar-Flügeln aus der Kraftshofer Kirche und einer funktionstüchtigen Schrankorgel. In der gleichen Zeit entstand der heute noch erhaltene Schlossgarten mit einem oktogonalen Pavillon, 1740 erbaut vom Kraftshofer Maurermeister Conrad Schön.

Das Äußere des Herrenhauses zeigt heute eine Mischung aus spätmittelalterlichen, frühneuzeitlichen und ba­rocken Elementen. Auf dem zweigeschossigen Sockel aus Sandsteinquadern ruht ein zweites, überkragendes Obergeschoss aus verputztem Fachwerk. Die Satteldachkonstruktion wurde an den Giebelseiten jeweils durch zwei quer zum First stehende, über die gesamte Hausbreite errichtete Zwerchhäuser aus Fachwerk erweitert. Diese waren seit 1599 bis zur Freilegung im frühen 20. Jahrhundert verputzt. Die markante Dachlandschaft prägt das Erscheinungsbild des Gebäudes, das heute als Wahrzeichen Neunhofs und des Knob­lauchlandes gilt. Es wird von einer weitgehend erhaltenen Zwingermauer (auf der östlichen steht die 1736 erbaute Pferdestallung) und einer heute trockenen, gefütterten Grabenanlage umgeben. Bewahrt haben sich auch der westlich vorgelagerte Ökonomiehof mit einem Voithaus und einem Stadel aus dem 18. Jahrhundert. Östlich und nordöstlich liegt der Schlossgarten mit seiner wiederhergestellten barocken Grundstruktur und mehreren Kopien aus dem Bestand der Gartenplastiken des Germanischen Nationalmuseums.

In der Hand der Familie Kreß blieb Neunhof bis zum Tod von Christoph Wilhelm Karl von Kreß, mit dem der Familienzweig 1856 ausstarb. Der Besitz fiel an seine Witwe Anna Helena Katharina Holzschuher. Ihre Nachkommen verpachteten 1956 das Familiengut Neunhof an das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg, das in der Außenstelle ein Jagdmuseum einrichtete. Führungen unterrichten heute über die Wohnkultur des Nürnberger Patriziats in der Renaissance, unter anderem mit einer authentisch eingerichteten Koch- und Prangküche. Schloss und Schlossgarten zählen heute zu den wenigen Nürnberger Patriziersitzen, die öffentlich zugänglich sind.

Quellen


Gelegenhait, Nr. 706 und 1936.

Müllner I, S. 317; III, S. 277.

NUB Nr. 332.

Literatur


Beyerstedt, Horst-Dieter: Neunhof. Geschichte eines Dorfes im Knoblauchsland (= Schriftenreihe der ANL Bd. 43). Simmelsdorf 1996.

Frank zu Döfering, Karl Friedrich von: Die Kressen. Eine Familiengeschichte. Senftenegg 1936, Sp. 1462-1492.

Freitag-Stadler, Renate: Herrensitze im Bereich der Reichsstadt Nürnberg unter Berücksichtigung des Problems der Weiherhäuser. Erlangen-Nürnberg 1972, S. 81-123, 241-259.

Dies.: Neunhof bei Kraftshof, ein Nürnberger Patriziersitz. In: MVGN 61 (1974), S. 129-160.

Großmann, Ulrich: Architektur und Museum – Bauwerk und Sammlung. Ostfildern-Ruit 1997 (= Kulturgeschichtliche Spaziergänge im Germanischen Nationalmuseum Bd. 1), S. 40-46.

HAB Nürnberg-Fürth, S. 143 f.

KDM Stadt Nürnberg, S. 389-394 (mit Plänen).

Spille, Irene: Das Patrizierschloss Neunhof bei Nürnberg. Dependance des Germanischen Nationalmuseums. Nürnberg 2001.

Stadtlexikon Nürnberg, S. 586 f, 740.

Stromer, Wolfgang von: Oberdeutsche Hochfinanz 1350–1450 (= VSWG Beiheft 55-57). Wiesbaden 1970, Bd. 2, S. 318.


Abbildung

Ansicht des Herrenhauses wenige Jahre vor der Fachwerkfreilegung. Kolorierte Zeichnung aus dem Jahre 1903 von J. C. Bankel (StadtA Lauf)

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