Pillenreuth I

  • Ehemaliger Wirtschaftshof, „Alter Herrensitz“
  • Zum Klösterle 6
  • Stadt Nürnberg

Im Jahre 1345 stiftete der Nürnberger Großkaufmann und Reichsschultheiß Konrad Groß in Pillenreuth ein Kloster für die Töchter der führenden Nürnberger Familien. Nach bescheidenen Anfängen entstand ein umfangreicher, von einem breiten, wassergefüllten Graben und einer Mauer gesicherter Klosterbezirk, der durch eine innere Mauer unterteilt war in das eigentliche Kloster (mit Kirche, Kapelle, Pröpstinnen- und Nonnenhaus) und einen angrenzenden Wirtschaftshof mit Voithaus und diversen landwirtschaftlichen Ge­-bäuden.


Möglicherweise an der Stelle des Voithauses, das sich an der höchsten Stelle des Klostergeländes erhebt, stand einst der Sitz des Ministerialengeschlechts der Fischbecken, in dessen Räumen sich die Nonnen anfangs zum Gottesdienst versammelten. Beim ehemaligen Voithaus findet sich noch heute ein 12 Meter tiefer, aufwändig aus Sandsteinen gemauerter Brunnen. Im Zuge von Sanierungsmaßnahmen in den Jahren 1985 bis 1987 traten in diesem Bereich zudem mächtige Sandsteinfundamente zu Tage, die zu einem größeren Vorgängerbau gehören müssen.


Im Zweiten Markgrafenkrieg wurde auch Kloster Pillenreuth 1552 von markgräflichen Truppen zerstört. Während die Nonnen hinter den sicheren Mauern Nürnbergs im Klarakloster verblieben und das Kloster nie mehr bezogen, ist nach neueren Erkenntnissen aus dendrochronologischen Untersuchungen bereits 1552 mit dem Wiederaufbau des Wirtschaftshofes begonnen worden.


Nach dem endgültigen Übergang der Klostergüter an die Stadt Nürnberg im Jahre 1591 und der Aufhebung des Klaraklosters im Jahre 1596 schuf die Stadt zur Verwaltung der Grundherrschaft über die Klostergüter das so genannte Klarenamt unter Leitung eines eigenen Pflegers. Der Wirtschaftshof des Klosters wurde schon 1592 von dem Bauern Konrad Lämmermann, „der zuvor im Closterhof gedient“, erworben. Auf ihn folgte 1604 Johann (Hans) Georg Gwandschneider, Inhaber eines noch zu Ende des 16. Jahrhunderts bedeutenden Handelshauses. Gwandschneider suchte damals aus seinen Gütern in Weiherhaus und im nahen Pillenreuth eine möglichst geschlossene Gutsherrschaft zu bilden [vgl. Weiherhaus]. Ihr Mittelpunkt sollte das ehemalige Kloster Pillenreuth werden, wozu er „in solchem hoff one erlaubnis vil gebauet“ – auch am Voithaus, wie eine Inschrift kündet –, was ihm viel Ärger mit den reichsstädtischen Behörden einbrachte.


Schon 1607 sah sich der Nürnberger Rat angesichts der Schwarzbauten zum Einschreiten gezwungen. Um die Rechtsansprüche der Stadt nach außen zu demonstrieren, ließ er die wichtigsten Klostergebäude absperren und mit dem reichsstädtischen Wappen versehen. Gwandschneider blieb nur die Nutzung der Wirtschaftsbauten – namentlich von „Schupfen, Stadel, Viehhäusern und Ställen“, da er nur einen Bauernhof „und merer nit“ habe, vor allem kein Herrenhaus, zu dem er sich das ehemalige Pröpstinnenhaus ausgebaut hatte [vgl. Pillenreuth II].


Nach dem Tod des Kaufmanns fiel das Gut 1609 an seine Witwe, die den Hof aufteilte und nur noch teilweise selbst bewirtschaftete. 1619 übernahm ihr Sohn Christoph den Hof, 1628 der Kandelgießer Hans Puchner. Auf Puchner folgte 1642 Hans Heinrich Bayer, der jedoch bald hochverschuldet starb, so dass der Nürnberger Rat nach einem potenteren Käufer suchte. Mehrere adelige Emigranten aus Österreich, darunter Otto Friedrich Freiherr von Herberstein, der den Hof bereits 1643 gepachtet hatte, waren ihm aber nicht genehm. 1657 erschien Georg Michel, ein wohlhabender Kaufmann in Nürnberg, als neuer Besitzer des Klostergutes, der die teils seit der Klosterauflösung verfallenen, teils durch die Folgen des 30-jährigen Krieges beschädigten Klostermauern und Gräben mit einem Kostenaufwand von angeblich 3.000 Gulden wieder herrichten ließ. Dem Bauherrn verdanken wir auch eine erstmals ausführliche Beschreibung des Klosters, seiner Geschichte und seiner Bauten, dessen Wert er auf 14.000 Gulden schätzte.


Michel renovierte auch das alte Voithaus, das im Erdgeschoss Wohnräume für das Gesinde vorhielt und im Obergeschoss die Wohnung der Gutsherrschaft und des Verwalters barg, sodass allmählich die Bezeichnung „Alter Herrensitz” üblich wurde. Das Gebäude mit massivem Erdgeschoss und einem Obergeschoss aus Fachwerk hat sich seither nur wenig verändert. Erst von Gwandschneider oder einem seiner Nachfolger wurde auf dem Dach ein Dachreiter mit einer großen Schlaguhr errichtet, deren Geläute die Bauern „allenthalb auf dem feldt hören schlagen“ konnten. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde eine große Scheune angebaut, nachdem das Herrenhaus um 1650 durch Einbau einer Kommunwand in zwei separate Haushälften geteilt worden war.


Michels Erben verkauften den ehemaligen Ökonomiehof 1681 an die Bauernfamilie Zwingel aus Herpersdorf, die ihn teilten. Der östliche eingeschossige Flügel wurde zur Wohnung ausgebaut und kam 1764 an die Familie Pommer („Pommerhof“); der westliche, zweigeschossige Teil gelangte 1784 an die Familie Kolb („Kolbenhof“). Nach der Eingemeindung Worzeldorfs ins Nürnberger Stadtgebiet wurde nach 1972 das ehemalige Klosterareal mit Einfamilienhäusern überbaut. Ein Abbruch des „Alten Herrensitzes“ konnte 1978 von der Familie Boesch verhindert werden, die 1992 für ihr Engagement und für die vorbildliche Sanierung des Gebäudes von den Nürnberger Altstadtfreunden ausgezeichnet wurde.

Quellen

StadtAN A 21 Cod. man. 193 2°.

Literatur


Alberti, Volker / Boesch, Toni / Holz, Horst: Burgen, Schlösser und Herrensitze in Kornburg und Umgebung (= Adelssitze in Franken Bd. 5). Nürnberg 2005, S. 69-75.

Alberti, Volker: Bausteine zur frühen Ortsgeschichte Pillenreuths. Existierte in vorklösterlicher Zeit ein Castellum in Pillenreuth? In: MANL 53 (2004), Heft 2, S. 805-813.

Schnabel, Werner Wilhelm: Österreichische Exulanten in oberdeutschen Reichsstädten (= Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte Bd. 101). München 1992, S. 503 f.

Stadtlexikon Nürnberg, S. 543, 826 f, mit kolorierter Federzeichnung 1630.

Wich, Heinrich: Geschichte von Kloster Pillenreuth mit Weiherhaus und Königshof. Nürnberg 1925, S. 71-73.


Abbildung

Ansicht des „Alten Sitzes“ von Westen. Fotografie: G. v. Volckamer um 1894 (StadtMN)

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