Tullnau I

  • Abgegangener Herrensitz, „Vogelsgarten“ (1944/45 zerstört)
  • Vogelsgarten 9
  • Stadt Nürnberg


Der Herrensitz entstand im so genannten Vogelsgarten, der im späten 15. Jahrhundert als markgräfliches Mannlehen im Besitz des Patriziergeschlechts Groland war. Erwähnt wird er bereits in Endres Tuchers Baumeisterbuch von 1464/70 bei der Beschreibung der Nürnberger Landwehr als „der Snödin weierhaus“, das zwischen der Pegnitzbrücke bei Wöhrd und dem Dürrenhof lag. Auch im Bericht zur Landeserkundung von 1504 erscheint das „weyerheuslein“ an der Bleichwiese bei Wöhrd. Nach dem Tod des Loy oder Lienhard Groland 1521 fiel das „Weiherhaus vor Nürnberg, gegen Wöhrd uber, unter dem Dürrnhof an der Pegnitz gelegen“ an den Lehnsherrn heim, der es seinem Landschreiber Johann Dettelbach verlieh. Jacob Groland konnte es jedoch wieder erwerben und veräußerte es bereits 1528 an Arnold König. Der Markgraf belehnte daraufhin Arnold und Gotthard König 1542 und Ersteren nochmals allein. 1550 wurde der Sitz an Christoph Lindner veräußert. Wenig später soll das Weiherhaus im Zweiten Markgrafenkrieg im Mai 1552 zu Grunde gegangen sein.

Das Anwesen wurde unter dem neuen Besitzer Franz Gelnauer wieder in Stand gesetzt, woraufhin der Markgraf 1568 die Umwandlung in ein „Weiberlehen“ genehmigte, sodass künftig beim Ausbleiben männlicher Erben nicht mehr der Heimfall an den Lehnsherrn befürchtet werden musste. Auf dem Nürnberger Rundprospekt von 1577/81 erscheint der „Gelnauersgarten“, der auch im Pfinzingatlas von 1594 auf dem Blatt der südlichen Landwehr eingetragen ist; die von Paul Pfinzing beigefügte Erläuterung identifiziert das eingezeichnete Weiherhäuslein ausdrücklich mit demjenigen der Schnödin in Tuchers Baumeisterbuch. Um 1603 war es in der Hand des Lazarus Gelnauer, der damals nicht näher bestimmte Umbauten durchführen wollte. Bald darauf folgten Wolff Vogel und sein Sohn, auf die der spätere Name des Anwesens zurückgehen dürfte. Die Stadtpläne des Hans Bien mit der Landwehr von 1620 und 1630 zeigen den Herrensitz aus der Vogelschau mit dem Teich und dem winzigen Weiherhäus-lein darin. Letzteres erscheint auch noch auf dem gedruckten „Grundris“ der Stadt von 1732, während es auf dem Urkatasterplan von 1825 verschwunden und nur noch ein großer, halbkreisförmiger Weiher eingetragen ist.

In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wechselte der Besitz relativ häufig, bis er 1655 an Georg Forstenhauer fiel. Ihm folgten wieder Patrizier: 1695 Georg Paul Pömer (1646–1695) und 1700 Johann Jacob Waldstromer (1666–1704), der Pömers Witwe geheiratet hatte. Vor 1720 erwarb dann der markgräflich-ansbachische Kommissionsrat Carl Wilhelm von Braun das Anwesen. Dessen Witwe Sophie Eleonore wurde 1759 als Besitzerin genannt, 1809 eine Erbengemeinschaft von Braun. 1829 verkaufte der Rosolifabrikant und Gutsbesitzer Carl Julius Christian Alexander von Braun den Herrensitz an den Gastwirt Georg Leonhard Stettner, der eine Gaststätte einrichtete. Noch 1930 fand sich hier die Gastwirtschaft „Zum Vogelsgarten“. Am ehemaligen Herrenhaus war damals noch ein Wappenrelief der Ansbacher Beamtenfamilie von Braun angebracht. Auch das Voithaus war um 1940 noch erhalten. Die Gebäude wurden kurz darauf bei einem Bombenangriff zerstört; 1953 waren alle Reste weggeräumt, sodass von nun an nichts mehr an den Herrensitz erinnerte.

Quellen


StAN Rst. Nbg., Waldamt Lorenzi I Nr. 518. Ft. An., Differenzen Nürnberger Bücher Nr. 95.

StadtAN B 23 Nr. 1. E 10/21 Nr. 2, 57.

Gelegenhait, Nr. 1863.

Lexer, Matthias (Hg.): Endres Tuchers Baumeisterbuch der Stadt Nürnberg (1464–1475) (= Bibliothek des Litterarischen Vereins Stuttgart Bd. 64). Stuttgart 1862, S. 210.

Müllner I, S. 326.

Literatur


Fleischmann, Peter: Der Nürnberger Zeichner, Baumeister und Kartograph Hans Bien (1591–1632) (= Ausstellungskataloge der Staatlichen Archive Bayerns Nr. 30). München 1991, S. 96, 111-114.

Satzinger, Walter: Entwicklung, Stand und Möglichkeiten der Stadtkartographie dargestellt vorwiegend an Beispielen aus Nürnberg. München 1964, Anlage X („Grundris ...“ 1732).

Stadtlexikon Nürnberg, S. 1094 f, mit einer Darstellung der Tullnauer Weiher von J. A. Graff von 1684.


Abbildung

Der so genannte Vogelsgarten mit dem Weiherhaus zur Zeit des Franz Gelnauer, Ausschnitt aus dem Atlas des Paulus Pfinzing von 1594 (StAN)

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