Tullnau III

  • Abgegangenes Herrenhaus bei der Papiermühle (vermutlich 1943 zerstört)
  • Ostendstraße 14
  • Stadt Nürnberg


Bei den Weihern in der Tullnau war schon im 15. Jahrhundert ein Hammerwerk in Betrieb, das kurz nach 1490 unter Ludwig Schnöd, Richter zu Wöhrd, zu einer Papiermühle umgebaut wurde. Das Recht zum Papiermachen war von der Schnieglinger Papiermühle übertragen worden [vgl. Schniegling I]. Die Papierproduktion in der Tullnau erlangte seit dem 16. Jahrhundert größere Bedeutung, die jedoch mit der Zerstörung im Zweiten Markgrafenkrieg 1552 unterbrochen wurde. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde die Papiermühle wieder in Gang gesetzt und unter dem Müller Bernhard Buffsky baulich erweitert. Nach 1590 folgte Nikolaus Rumpler als Papiermüller nach. 1595 wurde Rumpler dabei ertappt, als er die Wasserversorgung des Schönen Brunnens auf dem Hauptmarkt, die der Besitzer der Papiermühle seit 1501 mitbenutzen durfte, so stark anzapfte, dass er den Brunnen trocken legte. Als er nach ausgestandenem Turmarrest die Papier- nicht zu einer Pulvermühle umbauen durfte, gab er das Anwesen um 1598 an Hanns Uffinger ab. Auf die Familie Uffinger folgten 1656 der Kaufmann Michel Ernst, 1705 Johann Paul Buckel und 1720 Georg Kleber.

Ein Herrenhaus bei der Papiermühle wurde erstmals 1735 genannt. Seinerzeit war es im Besitz des Handelsmanns und Papierfabrikanten Johann Baptista Mayer [vgl. Wendelstein VI]. Zu seiner Zeit diente das zweigeschossige, damals etwa 12 auf 7½ Meter große Herrenhaus nur im Obergeschoss für die Aufenthalte der Unternehmerfamilie. Nach der Jahrhundertmitte erwarb es der Nürnberger Kaufmann Johann Jonas Schwarz, der es 1777 entweder weitgehend neu errichtete oder zumindest grundlegend umbaute, wie eine noch 1930 erhaltene Inschrift mit seinem Namen in einer Sandsteinkartusche am Nordgiebel vermuten ließ. Edmund Marabini, der die gerahmte Inschrift „17IWK59“ am Mühlengebäude anführt, weist dagegen auf den Besitz des Papierers Justus Wilhelm Kohler. Dies lässt eine vorübergehende besitzrechtliche Trennung von Herrenhaus und Mühle annehmen.

Die Baumaßnahme von 1777 brachte ein zweigeschossiges Herrenhaus mit Umfassungen aus Sandsteinquadern und einem Satteldach hervor. Lediglich das Obergeschoss soll der Garteninhaber zu seiner „Plaisir“ reserviert haben, während das Erdgeschoss vermietet wurde. Friedrich August Nagel berichtete davon, dass man um die Mitte des 19. Jahrhunderts bauliche Veränderungen vorgenommen habe, bei denen das große Zwerchhaus entstanden sei.

Nach der Zeit des Papierfabrikanten Schwarz übernahm der Kaufmann Georg Lauterbach um 1796 die Liegenschaft. Er erwarb von Johann Wilhelm Kohler damals auch die Mühle. 1808/09 wurde die Papiermühle durch den neuen Besitzer Ernst Rausch in eine Wollspinnerei umgebaut, deren Einrichtung aber dem verheerenden Hochwasser 1845 zum Opfer fiel. Das ehemalige Herrenhaus erhielt in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts die Schankgerechtigkeit; es war 1930 noch gut erhalten und soll erst 1943 bei Luftangriffen im Zweiten Weltkrieg zerstört worden sein. Das Gelände ist von 1966 bis 1972 mit der von Harald Loebermann geplanten Wohnanlage „Norikus“ neu bebaut worden.

Quellen


StAN Rst. Nbg., Waldamt Lorenzi I Nr. 518.

StadtAN E 10/21 Nr. 2, 116.

Literatur


Marabini, Edmund: Die Papiermühlen im Gebiet der weiland freien Reichsstadt Nürnberg. Nürnberg 1894, S. 43-53.

Centrum Industriekultur (Hg.): Räder im Fluß. Die Geschichte der Nürnberger Mühlen. Nürnberg 1986, S. 218-220.

Sporhan-Krempel, Lore: Papiermühlen auf Nürnberger Territorium. Die Papiermühle zur Tullnau. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 19 (1978), Sp. 1465-1492.

Stadtlexikon Nürnberg, S. 1094 f.


Abbildung

Ansicht des ehemaligen Herrenhauses links im Hintergrund, rechts das dreigeschossige Mühlengebäude, Fotografie: G. v. Volckamer um 1894 (StadtMN)

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