Feucht III

  • Herrensitz, „Tucherschloss“
  • Hauptstraße 70, 72
  • Markt Feucht
  • Landkreis Nürnberger Land


Das so genannte Tucherschloss in Feucht entstand erst im späten 16. Jahrhundert auf bäuerlichem Grund. Der 1533 geborene Herdegen IV. Tucher, verheiratet mit Katharina Pfinzing und zusammen mit seinem Bruder Paul seit 1568 Leiter der Tucherschen Handelsgesellschaft, erwarb 1586 in Feucht das Zeidelgütlein eines Jörg Seckler. Obgleich auf dem Anwesen nur das bescheidene kleinbäuerliche Wohnstallhaus stand, schritt der Käufer bald zur Errichtung eines Herrensitzes. Angesichts der restriktiven Genehmigungspraxis der Nürnberger Wald­ämter, die zum Schutz des Waldes in der Regel keine Erweiterung der Baumasse gestatteten, rechtfertigte Herdegen Tucher die besondere Größe des Hauses mit dem angeblich feuchten Baugrund, der eine Bewohnung des Erdgeschosses nicht zulasse. Er verpflichtete sich, die Umfassungen ausschließlich massiv zu bauen und das Erdgeschoss stets unbeheizt zu lassen. Nach der im Herbst 1590 erfolgten Baugenehmigung dürfte das Herrenhaus in den Jahren 1591/92 errichtet worden sein.

Die für das 17. und 18. Jahrhundert überlieferte Raum­struktur zeigt, wie wenig man sich um die Bedingungen der Baugenehmigung von 1590 geschert hatte. Im Erdgeschoss gruppierten sich um den Haustennen nicht nur Lager- und Speisegewölbe, sondern auch eine Stube und eine untere Küche. Die Wohnräume der Herrschaft, eine obere Küche, Schlafkammern, das Schreibstüblein und die Wohnstube fanden sich im ersten Obergeschoss. Die repräsentativsten Räume waren im zweiten Obergeschoss, wo vor allem der Saal, die „große Gaststube“ genannt, eingerichtet war. Die Erschließung der Geschosse erfolgte von Anfang an über einen Treppenturm, der den Zugang auf den jeweiligen „Soller“ (Vorplatz) gewährt. Auch das erste Dachgeschoss war schon im 17. Jahrhundert mit Mägdekammern wenigstens teilausgebaut.

Noch vor seinem Tod, 1614 im Alter von 81 Jahren, hatte Herdegen Tucher angesichts fehlender männlicher Nachkommen eine Familienstiftung, in Nürnberg meist Vorschickung genannt, gegründet. Der jeweils älteste Nachkomme seines Bruders Paul sollte das Stiftungsvermögen verwalten. Erst nach einem Aussterben des Tucherschen Geschlechtes hätte das Vermögen an das Nürnberger Heilig-Geist-Spital fallen sollen. Bis 1636 verwaltete Anton IX. Tucher den Herrensitz und musste 1632 die Verwüstung und Plünderung des Herrenhauses durch kaiserliche Soldateska erleben, bei der auch das Voithaus niederbrannte. Dann folgte dessen Bruder Karl III. Tucher bis 1646, kurzfristig beerbt von seinem Vetter Anton X. Die Reihe der Administratoren wurde fortgesetzt von Thomas III. Tucher vor 1648, 1657 Stephan, 1689 Georg Stephan d.Ä., 1732 Johann Jakob Tucher, 1746 Georg Stephan d.J., bis 1777 Carl Gottfried, bis 1785 Georg Friedrich und nach einer vorübergehenden Vormundschaft Jakob Gottlieb Friedrich Tucher.

Während dieser Zeit nutzte die Familie Tucher den Feuchter Herrensitz in der Regel nur für Sommeraufenthalte. Im Erdgeschoss wohnte – im Gegensatz zu den Vereinbarungen von 1590 – der Voit, vermutlich seit der Zerstörung des Voithauses im 30-jährigen Krieg. Das Voitanwesen war nach dem Krieg zwar wiederaufgebaut worden, wurde aber seither an einen Landwirt verpachtet. Den entsprechenden Rahmen für die Besuche der Herrschaft bot ein kunstvoll angelegtes „Lust-Gärtlein“, das im Laufe des 18. Jahrhunderts als Barockgarten neu gestaltet wurde. Es verfügte auch über ein Gärtner- und ein Sommerhaus, wo sich ein Sommersaal und eine Winterung befanden. Diese beiden aus gartenhistorischer Sicht äußerst wertvollen Gebäude haben sich bis heute in unmittelbarer Nachbarschaft des Schlosses erhalten.

Nach dem Tod des Jakob Gottlieb Friedrich Tucher 1832 einigten sich die Erben auf eine Versteigerung des Sitzes gegen Höchstgebot. Erst nach mehreren Anläufen gaben der Feuchter Gastwirt Johann Pfann und der Pächter der Landwirtschaft, Georg Böhm, akzeptable Gebote ab. Nach dem Kauf wurde der Tuchersche Besitz geteilt: Während Böhm das landwirtschaftliche Gut übernahm, fiel das Schloss an Johann Pfann, der noch 1833 erfolgreich die Tafernwirtshausgerechtigkeit für das Anwesen beantragte und damit die Tradition des Gasthauses „Nürnberger Hof“ begründete. In dieser Zeit sollen auch die vier charakteristischen Ecktürmchen abgebrochen worden sein. Unter dem Sohn Georg Pfann folgte um 1840 die wohl weitgehende Zerstörung der barocken Gartenanlage durch den Bau einer Stallung. Schon um 1845 wurde das Anwesen an den Bierbrauer Johann Paulus Rückert verkauft. Nach dem frühen Tod des Brauers folgten Jahrzehnte raschen Besitzwechsels: Konkurse, Versteigerungen und spekulative Käufe prägten diese Zeit. Bei diesen Gelegenheiten ging auch ein großer Teil der dazugehörigen Grundstücke verloren. Erst mit dem Erwerb des Gastwirts Johann Heerdegen im Jahr 1909 kehrte wieder eine längere Besitztradition ein. Die Familie Heerdegen bewirtschaftete den „Nürnberger Hof“ noch in den frühen 1980-er Jahren. 1990/91 erwarb der Architekt Fred Brunner den mittlerweile baufälligen Herrensitz und setzte ihn mit viel Engagement in denkmalgerechter Weise in Stand.

Quellen


StAN Rst. Nbg., Waldamt Lorenzi II Nr. 164.

Literatur


Giersch, Robert: Bau- und Nutzungsgeschichte des Tucherschlosses in Feucht bei Nürnberg. Denkmalpflegerische Voruntersuchungen 1996. Unveröff. im BLfD.

Schwemmer, Wilhelm: Alt Feucht. Aus der Geschichte einer Marktgemeinde am Lorenzer Reichswald (= Schriftenreihe der ANL Bd. 25). Nürnberg 1977, S. 47-51.

Wiegel, Helmut: Schlossgarten Tucherschloss Feucht. Gartendenkmalpflegerische Voruntersuchungen 2005. Unveröff. im BLfD.


Abbildung

Nach der Instandsetzung vor wenigen Jahren wieder mit den vier rekonstruierten Ecktürmen, Ansicht aus nordwestlicher Richtung. Aufnahme 2006 (Rg)

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