Kraftshof I

  • Herrensitz, „Kressenstein“
  • Kraftshofer Hauptstraße 185
  • Stadt Nürnberg


Nach der älteren Überlieferung hätte bereits 1276 Burggraf Friedrich die Brüder Friedrich und Herdegen die „Holzschuher“, Bürger Nürnbergs, zu „castrenses“ (Burgmannen) seiner Burg zu Kraftshof aufgenommen. Dazu schien recht gut zu passen, dass noch heute ein Stein an der Mauer des Kressensteins mit dem Allianz­wappen der Kreß und Strobel die Jahreszahl 1291 trägt. Die Urkunde von 1276 erwies sich jedoch als Fälschung, der Wappenstein von 1291 als Zutat wohl des 15. Jahrhunderts.

Vielmehr war Kraftshof altes Reichsgut und befand sich im 14. Jahrhundert in der Hand der Herren (ehedem Reichsministerialen) von Berg. Einer der dortigen Bauern­höfe war von ihnen als sogenanntes Afterlehen an die Kreß vergeben. Im Jahre 1357 veräußerte Brechtel Cresse den Hof (später wurden diese Worte der Urkunde verfälscht zu „das Hauß“ – es sollte also der Eindruck entstehen, als hätten die Kreß schon zu dieser Zeit einen Herrensitz in Kraftshof gehabt), „da er auf säs zu dem Crafftshof gelegen“, mit allem Zubehör, Reichslehen der von Berg, an seinen Schwager Konrad Ehinger aus einer Nürnberger Ratsfamilie. Erst diese machte aus dem Hof einen Sitz, den sie 1370 der Reichsstadt öffnete– Kraftshof gehörte damit zu einem der ältesten befestigten Außenposten Nürnbergs. 1379 verzichteten die Berg auf ihre Lehensherrschaft über das „Steinhaus“ zu Kraftshof, das fortan unmittelbares Reichslehen der Ehinger und ihrer Besitznachfolger wurde.

Von den Ehinger wechselte der Ansitz 1375/76 an die Ebner, dann im Jahr 1400 – nunmehr als „haus mit samt dem weyher, graben und garten“ bezeichnet – an Hermann Volland und fiel schließlich 1403 an die Brüder Konrad und Ulrich Kreß. Im ununterbrochenen Besitz dieser Familie blieb nun die „behaußung und geses zu Crafftshoffe mit sambt der Hoffraith, Weyer und graben“, so wie es Konrad Kreß 1429 in seinem Testament festlegte. Im Salbuch des Ulrich Kreß von 1410 findet sich angeblich erstmals die Bezeichnung Kressenstein.

Die exponierte Lage machte den Sitz bei Auseinandersetzungen mit dem Markgrafen zu einem lohnenden Angriffsziel. So war im Ersten Markgrafenkrieg am 4. Juli 1449 „zu Kraftshof der alt Burgstall, so insgemein der Kressenstein genannt wird, auch in Rauch aufgegangen“. Dieser wird im Stamm- und Wappenbuch des Christoph Kreß von 1530 rückblickend beschrieben „als ein stark vest Wasserhaus mit einem Graben mannstief und zweier so groß als der jetzig weyer oder graben“. Der Weiher um den alten Kressenstein reichte ursprünglich weiter nach Osten bis an die Kraftshofer Hauptstraße und schloss den Platz des um 1457 errichteten neuen Herrensitzes [vgl. Kraftshof II] und vermutlich auch dessen Vorhof ein. Von einer größeren Anlage als es der bis heute erhaltene Rest des Burgstalls andeutet, sprach 1537 auch Georg Kreß: Der von seinem Großvater erbaute neue Sitz sei „gegen der vorigen ganz unachtpar und unwe(h)rlich“.

Obwohl der Burgstall Kressenstein in den Lehenurkunden von 1478 bis 1767 als Kern des Kraftshofer Besitzes der Kreß erscheint, wurde er zunächst nicht wiederhergestellt. Vielmehr errichtete man dort – genauer wohl im Vorhof – um 1452/60 zunächst einen Schuppen. 1583 standen dort außerdem ein Keller sowie „ein Stadel sambt dem Hauß daran“. Zwei Jahre später baute Hieronymus Kreß auch den Burgstall selbst wieder auf. Da er nämlich „keine rechte Wohnung daselbst gehabt“, habe er sich „in dem Sommerhauß uf dem Alten Burgstall zum Kressenstein genannt ufhalten müssen, wie ich dan daselbst jerlich die Kirchwey und anderer zeit die Gotshausrechnung gehalten hab“. Dieses Bauwerk mit einem gemauerten, wohl fensterlosen Erdgeschoss und einfachem Fachwerkobergeschoss sowie einem Satteldach mit Glockentürmchen war ungleich kleiner als der benachbarte Herrensitz und wirkte fast verloren auf dem massiven Sockel des alten Kressensteins.

Die Situation hatte sich kaum verändert, als Hans Bien in einer Federzeichnung um 1629 den Kraftshofer Herrensitz detailreich abbildete. Der alte Sitz lag auf dem erhaltenen „steinernen Fuß“, durch eine Brücke mit dem Schlossvorhof verbunden, exakt in der Straßenachse zur Kirche in einem, wie erwähnt, offensichtlich ehedem größeren Weiher. Dieser umfloss auch das nordöstlich angrenzende neue Herrenhaus [vgl. Kraftshof II].

Was 1585 noch ein willkommenes Ausweichquartier war, wurde im 30-jährigen Krieg zur Notunterkunft. Nach ersten Zerstörungen und Brandschatzungen im Ort Kraftshof in den Jahren 1632 und 1633 wurde 1634 neben Pfarrhaus und Schmiede sowie zahlreichen weiteren Gebäuden auch das Kressische Wasserschloss niedergebrannt. Man behalf sich anscheinend zunächst mit dem „Neben- oder Fischerhaus“ im Vorhof. Weil aber 1676 das Schloss „noch in der Asche lieget und keine Stuben oder Wohnung vorhanden“, beantragte Jobst Christoph Kreß „in den vorhandenen Saal der Kressenstein genannt ein Feuerrecht und Wohnung einrichten zu dürfen – jedoch mit der Condition, dass bei künftiger Wiedererbauung des Schlosses das Feuerrecht im Saal wieder abgelöst und rückübertragen“ werde. Die vermeintliche Übergangslösung dauerte bald 50 Jahre: Bei ihren Aufenthalten in Kraftshof nahmen die Kreß Quartier im alten Burgstall. Erst 1712/13 ließ Georg Adolf Kreß an der Stelle der früheren Ökonomiegebäude ein repräsentatives zweigeschossiges barockes Herrenhaus mit Walmdach erbauen [vgl. Kraftshof III]. Damit dürfte das „Sommerhaus“ auf dem alten Burgstall wieder seinem Namen gerecht geworden sein. Zuletzt war darin bis 1934 das Familienarchiv der Kreß untergebracht. Während das barocke Herrenhaus im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde, blieb der 1933/34 gründlich renovierte „Kressenstein“ in seiner Substanz erhalten.

Quellen


Müllner I, S. 316.

NUB Nr. 440, 542 und 814, Anm. 3.

Literatur


Fleischmann, Peter: Der Nürnberger Zeichner, Baumeister und Kartograph Hans Bien (1591–1632) (= Ausstellungskataloge der Staatlichen Archive Bayerns Nr. 30). München 1991, S. 152 f.

Frank zu Döfering, Karl Friedrich von: Die Kressen. Eine Familiengeschichte. Senftenegg 1936, Sp. 1312, 1394-1427.

Hirschmann, Gerhard: Kraftshof. Ein nürnbergisches Dorf mit Herrensitz und Wehrkirche. In: MANL 19 (1970), Sonderheft.

KDM Stadt Nürnberg, S. 373.

Rusam, Hermann: Kraftshof – ein Ortsbild von Hans Bien aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. In: MANL 33 (1984), Heft 2, S. 29-43.

Stadtlexikon Nürnberg, S. 580 f.


Abbildung

Vorderansicht des „Sommerhauses“ auf dem gemauerten Sockel des alten „Kressensteins“. Fotografie: 1931 F. A. Nagel (StadtMN)

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