Rechenberg II

  • Abgegangener Herrensitz (1916 abgebrochen)
  • Äußere Sulzbacher Straße, unterhalb der Rechenberganlag
  • Stadt Nürnberg

Wie der spätere Besitzer der Liegenschaft, Jobst Wilhelm Ebner von Eschenbach, im frühen 18. Jahrhundert schriftlich festhielt, entstand nach 1553 im Ökonomiehof unterhalb des abgetragenen Wohnturms ein zweigeschossiges, knapp 19 auf 9 Meter großes Herrenhaus, das im Obergeschoss einen repräsentativen Saal und herrschaftliche Stuben erhielt. Bauherr des unteren Herrenhauses dürfte der  promovierte Apotheker und damals weithin bekannte Naturwissenschaftler Dr. Joachim Kammermeister (Camerarius) gewesen sein. Er hatte das vermutlich noch weitgehend öde Anwesen 1589/90 von dem Eisenhändler und Genannten des Größeren Rates Sebastian Zatzer gekauft, der es 1577 von der Gläubigergemeinschaft des Adolarius Vischer erworben hatte. Dr. Kammermeister konnte durch eine Ablösezahlung 1590 auch die althergebrachte Lehnsbindung an das Hochstift Bamberg abstreifen. Im Anschluss daran erneuerte der Gelehrte nicht nur das Öffnungsrecht der Reichsstadt, sondern verpflichtete sich auch, den Sitz im Falle des Verkaufs nur an Nürnberger Bürger weiterzugeben.

Vermutlich durch die Heirat mit Maria Magdalena Kammermeister 1624 geriet Karl Nützel an den Besitz, der bis zum Tod des Johann Joachim Nützel 1728 bei der Familie blieb. Das Erbe fiel an Jobst Wilhelm Ebner, den Ehemann der Nützel-Tochter Maria Sophie. Dieser wollte sich mit den seiner Meinung nach beengten Verhältnissen im Herrenhaus nicht mehr abfinden und schuf 1730 eigenmächtig im Erdgeschoss weitere Stuben, was ihm prompt Ärger mit dem Waldamt Sebaldi einbrachte. Der Bauherr wehrte sich gegen Strafandrohungen mit der Behauptung, dass der Sitz im Winter unbewohnt und daher Einbrechern schutzlos ausgeliefert sei. Die neuen Räume waren angeblich für einen Aufseher gedacht, der dauerhaft auf dem Rechenberg hausen sollte.

Der Herrensitz fiel durch die Heirat der Maria Ebner 1754 an Christoph Karl Kreß von Kressenstein, der 1763 bemerkte, dass vor allem die Fachwerkgiebel des Herrenhauses sehr schadhaft waren. Sie sollten daher durch massive Konstruktionen ersetzt werden. Auch in der Folgezeit wurde der Sitz vor allem als herrschaftliches Gartenanwesen genutzt. Im Herren- und in den Nebenhäusern brachte man aber auch Mietwohnungen unter. Nach dem Tod des Ehepaars von Kreß fiel das Anwesen nach einer Erbeinigung an die Tochter Maria Sophia Klara und deren 1773 angetrauten Ehemann Sigmund Friedrich von Behaim, dessen Familie über 100 Jahre Besitzer blieb. 1898 wurde es an Theodor Freiherrn von Tucher und den Hopfengroßhändler Johannes Barth [vgl. Weigelshof] verkauft.

In das Herrenhaus zog 1859 der berühmte Philosoph Ludwig Andreas Feuerbach, der damals beim Konkurs der Feuerbachschen Porzellanfabrik in Bruckberg bei Ansbach sein gesamtes Vermögen verloren hatte. Hier lebte er in ärmlichen Verhältnissen, u.a. vom Großindustriellen Theodor von Cramer-Klett unterstützt, und starb am 13. September 1872 an einer Lungenentzündung. Das ehemalige untere Herrenhaus am Rechenberg wurde 1916 abgebrochen. In der Rechenberganlage wurde später ein an den Philosophen erinnerndes Denkmal errichtet.

Lange Zeit erregten allerhand Erzählungen über einen unterirdischen Gang im Rechenberg die Phantasie vieler Nürnberger. Nach der Wiederentdeckung des Eingangs durch den Freiherrn von Tucher wurde der Gang 1902 vom Stadtbauamt untersucht. Er besaß eine Länge von 76 Metern und führte bis zu einem Brunnenschacht, der wohl zum ehemaligen Sitz gehörte. Der damalige Stadtarchivar Ernst Mummenhoff nahm an, dass der Gang für eine Wasserleitung angelegt worden war, und veröffentlichte 1904 einen Bericht über seine Befahrung.

Quellen

 

StAN Rst. Nbg., Waldamt Sebaldi I Nr. 352. 

Literatur

 

Fink, Helmut: Ludwig-Feuerbach-Stätten in Nürnberg. In: Aufklärung und Kritik. Sonderheft Nr. 3 der Zeitschrift für freies Denken und humanistische Philosophie 6 (1999), Teil II.

Frank zu Döfering, Karl Friedrich von: Die Kressen. Eine Familiengeschichte. Senftenegg 1936, Sp. 1543 f.

Mummenhoff, Ernst: Der Rechenberg und der unterirdische Gang daselbst. In: MVGN 16 (1904), S. 193-213.

Stadtlexikon Nürnberg, S. 282 f, mit Bleistiftzeichnung von G. C. Wilder 1842.

Zahn, Anton: Heimatkunde zwischen  Erlenstegen und Stadtpark Nürnber

Abbildung

Ansicht des Herrenhauses an der Äußeren Sulzbacher Straße. Fotografie: G. v. Volckamer um 1894 (StadtMN)

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