Reichelsdorf

  • Herrensitz, „Waldstromer-Schlösschen“
  • Schalkhauser Straße 24-28
  • Stadt Nürnberg


Schon Johannes Müllners Annalen der Reichsstadt Nürnberg von 1623 berichten von einem Ministerialengeschlecht von Reichelsdorf oder Reichersdorf, das um 1300 auf der Reichsforsthube zu Reichelsdorf saß und das wohl eines Stammes mit den Ministerialen von Eibach war [vgl. Eibach]. Sie gehörten vermutlich zu den Dienstleuten des Reichsministerialengeschlechts Rindsmaul, die 1391 als Lehenherren der „Behausung“ zu Reichelsdorf genannt werden.

Im Juli 1299 werden im Zusammenhang mit einem Streit um Wiesen ein Herr Sifrit von Reicholtsdorf und sein Sohn Rudger bezeugt, 1313 ein sich nach dem Ort nennender Rüdiger. In den 1330-er Jahren veräußerten die Erben Rüdigers einen Großteil des Besitzes, zuletzt 1336 die Rechte „an dem Forst zu Reycherstorf“ mit der Mühle, den Forstrechten und Zubehör an Conrad Waldstromer. Diesem bestätigte 1344 Kaiser Ludwig der Bayer den Besitz der Forsthube zu Reichelsdorf sowie der halben Forsthube Eibach, die er inzwischen ebenfalls erworben hatte. 1382 wurden noch letzte Anteile an die Waldstromer übertragen. Von nun an waren die Forsthube und auch der erst 1377 ausdrücklich genannte Herrensitz zu Reichelsdorf in der Hand der Waldstromer, eines Zweiges des Schwabach-Nürnberger Reichsministerialengeschlechts der Stromair/Stromer, der mit der Reichsforstmeisterwürde belehnt worden war. 1386 wurde dann erstmals eine Kapelle auf dem Hof des Sitzes genannt.

Beim Verkauf des Reichsforstmeisteramtes 1396 an die Reichsstadt Nürnberg behielten die Waldstromer die Forsthuben Reichelsdorf und Eibach zurück. Bei der Belehnung der Waldstromer durch den späteren Kaiser Friedrich III. 1442 wird die reichslehnbare „behausung“ mit umgebenden Wassergräben und zwei Gärten bezeugt. Ein Inventar von 1482 überliefert „das purkstall, da das schloß aufgestanden ist, mit samt dem großen wassergraben, der darumb geht“. Bei welcher Gelegenheit die kleine Burg zu Grunde gegangen war, ist nicht bekannt – vielleicht im Ersten Markgrafenkrieg 1449/50. Jedenfalls erscheint auch im Bericht über die Landeserkundung, die der reichsstädtische Rat vor Ausbruch des Landshuter Erbfolgekriegs 1504 befohlen hatte, zu Reichelsdorf kein befestigter Sitz mehr.

1519 ist wieder ein Sitz der Waldstromer bezeugt. 1539 veräußerte Berthold Waldstromer von Reichelsdorf einen Teil seines Vermögens an den Markgrafen. Daher beeilte sich die Reichsstadt, einen nach dem Tod Bertholds 1547 ausbrechenden Erbstreit nutzend, mit Hilfe von Strohmännern 1548 und 1550 den Herrensitz und die Forsthube zu kaufen, bevor auch sie von Brandenburg-Ansbach erworben werden konnten. Kurz nach dieser Transaktion, im Zweiten Markgrafenkrieg, brannten die markgräflichen Truppen am 11. Mai 1552 den Sitz, das Hammerwerk, den Ökonomiehof und alle dazugehörigen grundbaren Höfe nieder.

Der 1554 noch in Schutt und Asche liegende Sitz gelangte an den Ratskonsulenten Dr. Johann Gemmel, der dem Rat auch gleich das Öffnungsrecht in Kriegszeiten einräumte. Bis 1557 ließ der städtische Jurist das Anwesen wieder aufbauen. Das Herrenhaus erstand an alter Stelle, vom Wassergraben umgeben, als dreigeschossiges Turmhaus. Gemmels Witwe veräußerte den Sitz vor 1565 an Michel und Simon Steinhauser. Von der Familie Steinhauser ging er 1589 an einen Kaufmann Balthasar König, der den Sitz wiederum 1599 an Stefan Kötzler abtrat; beide öffneten den Sitz der Reichsstadt Nürnberg. 1629 verstarb der Käufer und vererbte an den gleichnamigen Sohn. Der junge Kötzler musste jedoch im September 1632 hinnehmen, dass die Wallensteinsche Armee bei ihrem Abzug den Herrensitz abermals in Brand steckte.

Der neuerliche Wiederaufbau des Herrenhauses und der Wirtschaftsgebäude wurde keineswegs, wie Werner Sprung angibt, in der Zeit danach „kräftig in Angriff genommen“. Im Gegenteil: Stefan Kötzler ließ zunächst 1636/37 im nördlich vorgelagerten Wirtschaftshof nur ein Wohnhaus erneuern, damit er wieder einen Voit unterbringen und wenigstens die Schlossökonomie in Betrieb nehmen konnte. Der Herrensitz fiel daher 1653 als Ruine an Karl Kötzler, Rat des Fürsten von Hohenlohe-Öhringen. Der Erbe beklagte sich noch 1675 über den Kriegsschaden seines Vaters, als er die Wiederherstellung endlich vorbereiten und um 1679 beginnen konnte. Karl Kötzler starb allerdings schon 1684 während der Bauarbeiten, woraufhin sein Bruder Christoph Hieronymus das Anwesen übernahm. Er wird die Erneuerung des Schlosses bis 1686 abgeschlossen haben, das sich seither als dreigeschossiger, massiver Rechteckbau präsentiert. Sein Erscheinungsbild wird von einem zweiachsigen, mit Voluten geschmückten Zwerchhaus, rustizierten Ecken des zweiten Obergeschosses und diversen Giebelaufsätzen geprägt.

Mit dem Tod des Christoph Hieronymus Kötzler erlosch das alte Nürnberger Geschlecht am 4. Oktober 1695 im Mannesstamm. Von der Erbengemeinschaft, bestehend aus Töchtern und Schwiegersöhnen, wurden der Sitz und die Forsthube an den Nürnberger Bürger und Messerschmied Georg Stepper veräußert, der 1722 ein neues Voithaus errichten ließ und 1731 Umbauten am Herrenhaus vornahm. Um 1750 erwarb Christoph Karl Joseph von Volckamer die Liegenschaft. Der rechteckige Wassergraben, über den zwei Brücken nördlich und südlich zum Herrenhaus mit dem einst von einer Zwingermauer eingefassten inneren Hof geführt hatten, wurde in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts zu einer Wiese gemacht.

1818 ging das Reichelsdorfer Schloss an Sigmund Friedrich Karl Wilhelm von Volckamer und seine mit Dr. Emil von Furtenbach verheiratete Schwester Maria Philippina Karolina. 1833 übernahm die Schwester den gesamten Besitz. Um 1839 kam es unter dem Ehepaar zu einem Umbau des Herrenhauses, wie eine Jahreszahl am östlichen Giebel ausweist. Der Ehemann richtete schließlich eine chemische Fabrik in der Schlossanlage ein, die nicht lange betrieben wurde, aber nach Friedrich August Nagels Worten „den Bauwerken großen Schaden brachte“. 1880 wurde die Liegenschaft nach dem Tod Furtenbachs an die Freiherren von Stromer veräußert, die sie jedoch nur bis 1891 behielten. 

In den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts nutzte der Eigentümer Johann Georg Kettlein, ein Landwirt, das Herrenhaus als Mietshaus. Kettleins Erben verkauften das Anwesen 1902 an Ferdinand Hirt, bis es 1906 der Postdirektor Karl August Eßlinger aus Leer in Ostfriesland kaufte. Er verlieh dem Ansitz sein „altertümliches Gepräge“, als er einen alten Brunnen mit Wasserbassin und diverse Steinfiguren aufstellen ließ. Er soll auch viele alte Truhen zerschlagen haben, um mit den Brettern die große Stube im Obergeschoss zu täfeln. Eine Renaissancetäfelung in einem Raum des zweiten Obergeschosses wurde aus dem so genannten Tilly-Zimmer des Hotels „Bayerischer Hof“ in Nürnberg hierher transloziert. Der offene Kamin im Erdgeschoss ist eine aus Ostfriesland stammende Attrappe. Die von einer achteckigen Säule und einem Unterzug getragene Erdgeschosshalle wurde damals durch den Abbruch mehrerer, vielleicht nachträglich eingebauter Innenwände hergestellt. Eßlinger veröffentlichte 1922 auch eine kurze, leider sehr mangelhafte Geschichte Reichelsdorfs. 1921 erwarb der Fabrikant Hans Durban das Herrenhaus mit dem großen Garten; seine Nachfahren waren noch im ausgehenden 20. Jahrhundert Eigentümer.

Quellen

 

StAN Rst. Nbg., Handschriften Nr. 323. Rst. Nbg., Amts- und Standbücher Nr. 47. Rst. Nbg., Waldamt Lorenzi I Nr. 858, 1315. Bezirksamt Schwabach I Nr. 91.

StadtAN E 10/21 Nr. 97, mit Auszügen aus dem Manuskript Eßlingers.

Gelegenhait, Nr. 760, 1880-1882.

Müllner I, S. 343.

NUB Nr. 1050.

Reg. Imp. XIII Heft 14, Nr. 102.

Literatur

 

Eßlinger, K.: Zur Geschichte von Reichelsdorf. Schwabach 1922.

KDM Stadt Nürnberg, S. 398 f.

Mulzer, Vorstädte, S. 89 f.

Schwemmer, Bavaria Ant., S. 44 f.

Sprung, Werner: Reichelsdorf und Mühlhof. In: MANL 25 (1976), Sonderheft Nr. 23.

Stadtlexikon Nürnberg, S. 871, mit Stich von Henning von etwa 1770.

Abbildung

Darstellung des Schlosses mit dem Ökonomiehof auf einer aquarellierten Federzeichnung von etwa 1820 (StadtMN)

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