Erlenstegen II

  • Abgegangener Herrensitz, „Voit- oder Ebnerschloss“ (Abbruch 1954/1965)
  • Erlenstegenstraße 84-88
  • Stadt Nürnberg


Der Ursprung dieses Herrensitzes ist noch nicht geklärt. Vermutlich ist er identisch mit demjenigen, den Endres Hirschvogel (der Erbauer des berühmten Hirschvogelsaals in Nürnberg) 1517 dem Nürnberger Rat für den Kriegsfall zur Verfügung stellen musste und den er 1531 noch besaß. Als Hirschvogel in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet, scheint die Liegenschaft an seinen Gläubiger Hans Buchner gelangt zu sein [vgl. Hartenstein], der 1536 zwei (oder sogar drei?) Sitze in Erlenstegen der Reichsstadt öffnete. 1539 gehörte sie Hans Stauber. Womöglich war sie mit dem „schönen Burgerssitz“ identisch, der 1553 im Zweiten Markgrafenkrieg verbrannt wurde. Nach Friedrich August Nagel soll Stauber (oder Staiber) das Herrenhaus um 1560 wieder aufgebaut und später an Hans Voit von Wendelstein um 3.200 Gulden verkauft haben. Dieser lässt sich 1580 als Besitzer nachweisen. Im übrigen hatten zum Voitschen Sitz mehrere Grundstücke gehört, die einst Teil eines an anderer Stelle untergegangenen Topplerschen Herrenhauses gewesen waren [vgl. Erlenstegen III].

Unter der Familie Voit von Wendelstein wurde der Sitz 1598 noch einmal baulich verbessert und erweitert, vor allem an den Nebengebäuden. Um 1632 kam es dann zu einer schweren Beschädigung des Herrenhauses durch marodierende Soldaten. Für Jahrzehnte soll das ruinierte Gebäude danach ungenutzt geblieben sein. Erst im April 1698 beantragte Johann Jacob Voit von Wendelstein beim Waldamt Sebaldi eine gründliche Instandsetzung und den weiteren Ausbau des schadhaften Herrenhauses. Das zweigeschossige Gebäude sollte zwei Erker oder größere Gauben und vier heizbare sowie mit doppelten Kaminen ausgestattete Stuben erhalten.

Mit dem Tod des Christoph Hieronymus starb das Geschlecht der Voit von Wendelstein 1718 aus, und ihr Herrensitz in Erlenstegen fiel an einen Neffen, den reichsstädtischen Zweiten Losungsrat Hieronymus Wilhelm Ebner. Er führte das Schloss seiner nach ihm benannten Ebnerschen Familienstiftung zu. Der Stifter starb im Januar 1752. Die Witwe Maria Jacobina Ebner führte die Geschäfte weiter und ließ 1759/60 die Nebengebäude des Sitzes modernisieren.

Der Herrensitz wurde im 18. Jahrhundert offensichtlich nur als landwirtschaftliches Gut genutzt, das 1698 erneuerte Herrenhaus wurde deshalb von der Ebnerschen Stiftungsadministration nicht mehr herrschaftlich bewohnt. 1766 war es angeblich derart baufällig – die Rede ist von verfaulten Deckenbalken und Sparren –, dass die Familienstiftung den Abbruch und völligen Neubau beantragte. Der Neubau sollte jedoch nicht auf dem alten Burgstall platziert werden, sondern als massives Haus, in dem auch Beständner (Mieter/Pächter) wohnen sollten, unmittelbar an der Straße errichtet werden [später Erlenstegenstraße 88]. Es entstand ein zweigeschossiges, die Symmetrie betonendes Werksteingebäude, das sich durch halbe, mit Voluten geschmückten Giebeln auszeichnete und daher von einem Halbwalmdach überspannt wurde.

Das alte Herrenhaus blieb allerdings trotz der angeblich gravierenden Schäden erhalten und wurde, nachdem das Waldamt wohl mehr oder weniger getäuscht worden war, weiterhin genutzt. 1809 befanden sich daher auf dem Sitz zwei Herrenhäuser, die vom damaligen Stiftungsadministrator Christoph Gottlieb Sigmund Kreß von Kressenstein als zweigeschossig und massiv gebaut beschrieben wurden. Im großen Herrenhaus waren im Erdgeschoss eine Küche, Keller- und Lagergewölbe und ein Pferdestall. Im Obergeschoss fanden sich ein großer Saal, eine weitere Küche, eine heizbare Stube und eine Schlafkammer. Das erste Dachgeschoss war ausgebaut mit einer dritten Küche und vier so genannten „Mansarden-Zimmern“ für die Zinsleute. Das kleine, ältere Herrenhaus verfügte ebenfalls über einen Saal, drei Stuben, drei Kammern, eine Küche, einen Abtritt und ein so genanntes „Waßer-Sälchen“, offenbar eine Art Sommersaal im Erdgeschoss. Zu dem Anwesen gehörten noch das Voithaus,  zwei kleine eingeschossige Zinshäuser sowie mehrere Ökonomiegebäude. An das Voithaus angebaut war ein kleiner Gartensaal.

Mit der gesetzlichen Aufhebung der Fideikommiss-Stiftungen durch das Königreich Bayern fielen die Rechte um 1809 an eine vielköpfige Erbengemeinschaft aus den Familien Haller von Hallerstein und Kreß von Kressenstein. 1822 entschloss sie sich, den Besitz öffentlich zu versteigern. Den Zuschlag erhielt für 14.550 Gulden der Oberleutnant Georg Christoph von Jacquet, der im Namen seiner Ehefrau und Miterbin Maria Hedwig, geborene Kreß von Kressenstein, handelte. Von der Familie Jacquet ging das Rittergut noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts an den Rechtsanwalt Dr. Toussaint. In den 1860-er Jahren wurde die Anlage erheblich durch den Bau der Fichtelgebirgsbahn beeinträchtigt: Nebengebäude wurden abgebrochen, der Schlossgarten überbaut. Der Bahndamm grenzt seither unmittelbar an die Bebauung des Sitzes an.

Um 1900 war der Herrensitz Eigentum der Familie Hofmann. 1912 veräußerte die Privatierswitwe Eva Johanna Hofmann das Herrenhaus an den Rentner Johann Bleisteiner. Die beiden Herrenhäuser erlitten 1943/44 bei Luftangriffen schwere Schäden. Die Ruinenreste wurden 1954 und das behelfsmäßig reparierte große Herrenhaus sogar erst 1965 abgebrochen. Das Grundstück ist heute modern überbaut.

Quellen


StAN Rst. Nbg., Rechnungen des markgräflichen Krieges Nr. 95, 96. Waldamt Sebaldi I Nr. 220, 242, 292. Kataster Erlenstegen Nr. 1, 4, 18. Landgericht ä.O. Erlangen, Grundakten Erlenstegen, Landgut Erlenstegen.

StadtAN E 10/21 Nr. 60.

Literatur


KDM Stadt Nürnberg, S. 280.

Pfeiffer, Gerhard: Die Offenhäuser der Reichsstadt Nürnberg. In: JffL14 (1954), S. 168, 173.

Rusam, Hermann: Erlenstegen. Ein altes nürnbergisches Dorf im Sog großstädtischer Entwicklung. In: MANL 35 (1986), Heft 1,  S. 157.

Schaper, Christa: Die Hirschvogel von Nürnberg und ihr Handelshaus (= Nürnberger Forschungen Bd. 18). Nürnberg 1973, S. 252 f, 266.

Stadtlexikon Nürnberg, S. 251.


Abbildung

Ansicht des neuen Herrenhauses aus etwa westlicher Richtung, Fotografie: G. v. Volckamer um 1894 (StadtMN)

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